Lenz im ausweglosen Irren. (…) Die 30-jährige Rainer nutzt den Büchner-Text als Ausgangslage. Im Büchner-Setting will sie das Gesamtdrama dieses unruhigen Lebens sichtbar machen. Sie tut das, in dem sie einen ewigen Konflikt zwischen einem irre Anrennen und einem massiven, starren Gesellschaftssystem schildert.
Dafür baut sie auch historisches Material ein, etwa Originalzitate aus Predigten Oberlins. Herauskommt ein fein gebauter, mit subtilen Mitteln und einem betörenden Soundtrack arbeitender Theaterabend, der sich als Parabel davor hüten möchte, für eine Seite Partei zu ergreifen. Zu spüren aber ist doch eine Zuneigung zu Lenz. Über den aber ist kein gutes Ende zu erzählen. Lenz wird sterben, einsam in einer Mainacht in Moskau. Exemplarisch für diesen Weg ins Nichts nimmt Rainer die Zeit bei Oberlin, wo sie ihn ringen lässt mit einem womöglich heilsamen Glauben an eine fest gefügte, göttliche Ordnung und seinem Drang nach Selbstbestimmung, seinem auch selbstzerstörerischen Irrsinn.
Am Ende, die brave Familie hat ihn weggeschickt (oder ging er von alleine?), räumt zusammen was verwüstet wurde, liegt er am Bühnenboden, tot, verloren, vergessen. So lag er schon da als man in den Saal kam. Dazwischen erweckt ihn Markus Meyer, behutsam und tobend zum Leben. Ihm gegenüber steht Manfred Böll als Oberlin, dessen Strenge und Glaubensfuror samt der Unterwürfigkeit seiner Familie bisweilen recht steif daherkommt.
Rainer zeigt – ohne Aufregung, aber eindrücklich und fein durchkomponiert – ein Leben, das zerbricht, weil für Wanderer auf der Suche nach einer Heimat für ihr Selbst, nur schwer ein Platz zu finden ist – wenn überhaupt. Dafür gab es langen, heftigen Applaus.