„Ge-ni-al.“

    Ein wunderbares Stück und vier super Schauspielerinnen, die sich sozusagen eine Rolle teilen und sie aber gleichzeitig vervielfachen, schier unendlich, nämlich allgemeingültig machen. Und wunderbar zusammenspielen – ob in den gemeinsamen chorischen Szenen oder jenen, wo sie nicht synchron, aber exaktest getimt, ineinandergreifend spielen, ob beim Eintauchen in die uralte und doch moderne Vorbild- oder die aktuelle Johanna.

    Wofür lohnt es sich zu kämpfen?
    Ansatzlos switcht die Figur von der historischen Jeanne d’Arc (Johanna von Orleans, Jungfrau von Orleans) zu einem heutigen ca. 12-jährigen Mädchen namens Johanna. Trotz 600 Jahren, die dazwischen liegen, ist ein Bündel an Grundfragen nicht so viel anders: Wer bin ich? Auf wen höre ich? Woran glaube ich? Woher komm ich und wo will ich hin? Und nicht zuletzt warum?


    Vier sind eine und doch viele
    Eine Art Drehbühne steht in der Mitte der Bühnenfläche, darauf liegt eine Frau. Drei weitere liegen – in sehr ähnlicher Position – auf dem Rest der Bühnenfläche – außerhalb des Runds – auf dem Boden. Sie alle vier werden zur Johanna – verschmelzen. Alle vier sind die eine Johanna, das heißt eigentlich die zwei Johannas, die Jeanne vor 600 Jahren in Frankreich und die Namenskollegin hier und heute.


    Du kannst nix und musst alles
    Zu Beginn prasseln aus dem Off so „wunderbare“, leider viel zu vielen Kindern und Jugendlichen bekannte Sätze wie „du kannst das nicht, du bist zu dumm, zu klein, zu groß, zu dünn, zu dick….“ und dergleichen mehr auf sie ein. Cut. Nächster Sager: „Morgen ist ein großer Tag für dich, an dem sich entscheidet, ob du aufsteigst oder untergehst!“ Super vor dem Hintergrund der ersten elterlichen oder lehrerlichen – wer weiß – Erniedrigungen. Schule und was in ihr und für sie gelernt wird/werden muss wird in der Folge von den Johannas in Frage gestellt. „ich frag mich, wann mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung endliche einmal die Wahrscheinlichkeit berechnet wird, wie oft man die im Leben auch wirklich braucht!“ Konterkariert wird das schulische Wissen mit lebenspraktischen Herausforderungen, beispielsweise in Liebes- und Freundschaftsdingen. Oder im Fall von Bewerbungsschreiben – wo die Anforderungen – jung und doch jedenfalls schon viel praktische Erfahrung haben zu sollen, wie sie im Wirtschaftsleben immer häufiger vorkommt – thematisiert werden.


    Aufbruch oder Mittelmaß?
    Vom Aufbruch der selbstbewussten, außergewöhnlichen Jeanne d’Arc, die den französischen König auffordert, ihr Soldaten zu geben, damit sie gegen die Engländer in die Schlacht ziehen kann, wird der Bogen zur heutigen Johanna geschlagen, die sich fragt, wofür es sich heute überhaupt lohne in den Kampf zu ziehen. Und die fast schon resignierend feststellt: „Mittelmaß ist die neue Religion!“, um sich dann doch wieder aufzuraffen und zu rufen: „Hallo Welt, ich will dich verändern!“. An dieser Stelle klingt das allerdings noch ein bisschen ironisch. Nach einem Diskurs über Religion und Glaube und dem Philosophieren über Realismus und Träumerei kommt sie zu guter Letzt – ähnlich dem Fabelwesen im Kinderbuchklassiker „Das kleine ich bin ich“ – zum Schluss, einfach sie selbst sein zu wollen. Johanna beschließt am großen Tag der Entscheidung, den Kampf um ihr Leben anzunehmen.“